Erzbistum Paderborn
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Katholische Kirche und Freimaurerei

Erklärung des Ständigen Rates der DBK vom 28. April 1980

in: Wenner, DBK 745 [Abdruck in Auszügen]

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IV. Gründe der Unvereinbarkeit

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1. Die Weltanschauung der Freimaurer

Die Weltanschauung der Freimaurer ist nicht verbindlich festgelegt. Es überwiegt die humanitäre und ethische Tendenz. Die textlich festgelegten Ritualbücher mit ihren Worten und Symbolhandlungen bieten einen Vorstellungsrahmen, den der einzelne Freimaurer mit seiner persönlichen Auffassung ausfüllen kann.
Eine gemeinsame verbindliche Ideologie ist hier nicht festzustellen.
Dagegen gehört der Relativismus zur Grundüberzeugung der Freimaurer.
Das als objektive Quelle anerkannte „Internationale Freimaurer Lexikon“ erklärt zu dieser Frage: „Die Freimaurerei dürfte das einzige Gebilde sein, dem es auf die Dauer gelungen ist, Ideologie und Praxis weitgehend von Dogmen freizuhalten. Die Freimaurerei kann daher als eine Bewegung aufgefasst werden, die relativistisch eingestellte Menschen zur Förderung des Humanitätsideals zusammenzufassen trachtet“ (Eugen Lennhoff/Oskar Posner, Internationales Freimaurer-Lexikon, Wien 1975, Sp. 1300).
Ein Subjektivismus dieser Art lässt sich mit dem Glauben an das geoffenbarte und vom Lehramt der Kirche authentisch ausgelegte Gotteswort nicht in Einklang bringen. Außerdem erzeugt er eine Grundeinstellung, welche die Haltung des Katholiken zu Wort und Handlungen im sakramentalen und sakralen Geschehen der Kirche gefährdet.
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2. Der Wahrheitsbegriff der Freimaurerei

Von den Freimaurern wird die Möglichkeit objektiver Wahrheitserkenntnis verneint. Während der Verhandlungen wurde besonders an das bekannte Wort von G. E. Lessing erinnert: „Wenn Gott in seiner Rechten alle Wahrheit und in seiner Linken den einzig immer regen Trieb nach Wahrheit, obschon mit dem Zusatz, mich immer und ewig zu irren, verschlossen hielte und spräche zu mir: ‚Wähle’, ich fiele ihm mit Demut in seine Linke und sagte: ‚Vater, gib! Die reine Wahrheit ist ja doch nur für Dich alleine!’“ (G. E. Lessing, Duplik, 1977, Ges. Werke, V, 100).
Dies wurde in den Gesprächen als für die Freimaurerei signifikant bezeichnet.
Die Relativität jeder Wahrheit stellt die Basis der Freimaurerei dar. Da der Freimaurer jeden Dogmenglauben ablehnt, duldet er auch in seiner Loge kein Dogma (vergleiche Dr. Th. Vogel in KNA vom 11. Februar 1960, S. 6). Vom Freimaurer wird daher verlangt, ein freier Mann zu sein, der „keine Unterwerfung unter Dogma und Leidenschaft kennt“ (Lennhoff-Posner Sp. 524 f). Das bedingt die grundsätzliche Verwerfung aller dogmatischen Positionen, die in dem Satz des Freimaurer-Lexikons zum Ausdruck kommt: „Alle Institutionen auf dogmatischer Grundlage, als deren hervorstechendste die Katholische Kirche gelten kann, üben Glaubenszwang aus“ (Lennhoff-Posner, Internationales Freimaurer-Lexikon, Wien 1975, Sp. 374).
Ein derartiger Wahrheitsbegriff ist vom Standpunkt weder der natürlichen Theologie noch der Offenbarungstheologie mit dem katholischen Wahrheitsbegriff vereinbar.
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3. Der Religionsbegriff der Freimaurer

Das Religionsverständnis der Freimaurer ist relativistisch: alle Religionen sind konkurrierende Versuche, die letztlich unerreichbare Gotteswahrheit auszusagen. Denn dieser Gotteswahrheit angemessen ist nur die vieldeutige, der Interpretationsfähigkeit des einzelnen Maurers überlassene Sprache der maurerischen Symbole. Nicht umsonst ist der religiöse Disput innerhalb der Loge den Angehörigen der Loge streng untersagt. In den Alten Pflichten von 1723 heißt es unter I: „Der Maurer ist als Maurer verpflichtet, dem Sittengesetz zu gehorchen; und wenn er die Kunst recht versteht, wird er weder ein engstirniger Gottesleugner noch ein bindungsloser Freigeist sein. In alten Zeiten waren die Maurer in jedem Lande zwar verpflichtet, der Religion anzugehören, die in ihrem Lande oder Volke galt, heute jedoch hält man es für ratsamer, sie nur zu der Religion zu verpflichten, in der alle Menschen übereinstimmen, und jedem seine besonderen Überzeugungen selbst zu belassen.“ (Die Alten Pflichten von 1723, Hamburg 1972, S. 10).
Der Begriff der Religion, „in der alle Menschen übereinstimmen“, impliziert eine relativistische Religionsauffassung, die sich mit der Grundüberzeugung des Christentums nicht zur Deckung bringen lässt.
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4. Der Gottesbegriff der Freimaurer

In den Ritualien findet sich der Begriff des „Großen Baumeisters aller Welten“ an zentraler Stelle. Er ist, bei allem Willen zu religionsumgreifender Offenheit, eine deistisch geprägte Konzeption. Danach gibt es keine objektive Erkenntnis von Gott im Sinne des personalen Gottesbegriffs des Theismus. Der „Große Baumeister aller Welten“ ist ein neutrales „Es“, undefiniert und offen für jedwedes Verständnis. Jeder kann hier seine Gottesvorstellung einbringen, der Christ wie der Moslem, der Konfuzianer wie der Animist oder der Angehörige irgendeiner Religion. Der Weltenbaumeister gilt den Freimaurern nicht als ein Wesen im Sinne eines personalen Gottes; deshalb genügt für sie ein beliebiges religiöses Empfinden für die Anerkenntnis des Baumeisters aller Welten.
Diese Imagination eines im deistischen Abseits thronenden Weltenbaumeisters entzieht der Gottesvorstellung des Katholiken und seiner Antwort auf den ihn väterlich und herrscherlich ansprechenden Gott den Boden.
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5. Freimaurerischer Gottesbegriff und Offenbarung

Die Gottesvorstellung der Freimaurerei lässt den Gedanken an eine Selbstoffenbarung Gottes, wie er von allen Christen geglaubt und festgehalten wird, nicht zu. Eher noch wird durch die Vorstellung des „Großen Weltenbaumeisters“ das Gottesverhältnis auf eine vordeistische Position zurückgeworfen. Ebenso steht die ausdrückliche Herleitung des Christentums von der astralen Urreligion der Babylonier und Sumerer in vollem Widerspruch zum Offenbarungsglauben (vergleiche Ritual II, S. 47).
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6. Die Toleranzidee der Freimaurer

Aus dem Wahrheitsbegriff leitet sich auch die spezifische Toleranzidee der Freimaurerei ab. Der Katholik versteht unter Toleranz die den Mitmenschen gegenüber geschuldete Duldsamkeit. Bei den Freimaurern jedoch herrscht die Toleranz gegenüber Ideen, wie gegensätzlich zueinander sie auch sein mögen.
Wieder ist auf Lennhoff-Posner zu verweisen: „Aus dem Relativismus lässt sich der Standpunkt der Freimaurer zu den Problemen der Welt und Menschheit ableiten … Der Relativismus unterbaut die Toleranz mit Vernunftargumenten. Die Freimaurerei ist eine der Bewegungen, die vom Ausgang des Mittelalters an als Reaktion gegen die Unbedingtheit der Kirchenlehre und den politischen Absolutismus, als Reaktion gegen den Fanatismus jeder Art entstanden sind …“ (Sp. 1300).
Eine Toleranzidee dieser Art erschüttert die Haltung des Katholiken in der Glaubenstreue und in der Anerkennung des kirchlichen Lehramts.
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7. Die Ritualhandlungen der Freimaurer

In ausführlichen Gesprächen und Erklärungen wurden die drei Ritualien des Lehrlings-, des Gesellen- und des Meistergrades erörtert. Diese Ritualhandlungen zeigen in Wort und Symbol einen sakramentsähnlichen Charakter. Sie erwecken den Anschein, als würde hier unter Symbolhandlungen objektiv etwas den Menschen Verwandelndes bewirkt. Inhalt ist eine symbolhafte Initiation des Menschen, die ihrem ganzen Charakter nach in einer deutlichen Konkurrenz zu seiner sakramentalen Umwandlung steht.
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8. Die Vervollkommnung des Menschen

Nach Ausweis der Ritualien geht es in der Freimaurerei letztlich um eine ethische und geistige Optimierung des Menschen.
Im Meisterritus heißt es: „Welche Tugenden muss ein wahrer Meister besitzen? Reinheit des Herzens, Wahrheit in Worten, Vorsicht in Handlungen, Unerschrockenheit bei unvermeidlichen Übeln und unermüdlichen Eifer, wenn es gilt, Gutes zu tun“ (Ritual 111, S. 66).
Hier konnte das Bedenken nicht ausgeräumt werden, dass die ethische Vervollkommnung verabsolutiert und so von der Gnade gelöst wird, dass kein Raum für die Rechtfertigung des Menschen im christlichen Verständnis bleibt.
Was sollen sakramentale Heilsvermittlung in Taufe, Buße und Eucharistie noch bewirken, wenn bereits durch die drei grundlegenden Grade die in den Ritualien ausgesagte Erleuchtung und Todesüberwindung erzielt wird?
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9. Die Spiritualität der Freimaurer

Die Freimaurerei stellt an ihre Mitglieder einen Totalitätsanspruch, der ihnen eine Zugehörigkeit auf Leben und Tod abfordert. Auch wenn man davon ausgeht, dass der in den drei Graden beschrittene Weg in erster Linie das Ziel einer Bewusstseins- und Charakterbildung verfolgt, bleibt doch die Frage, ob der Sendungsanspruch der Kirche es zulässt, dass Formung solcher Art von einer ihr fremden Institution übernommen wird.
In diesem Totalitätsanspruch aber wird die Unvereinbarkeit von Freimaurerei und Katholischer Kirche besonders deutlich.
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10. Unterschiedliche Richtungen innerhalb der Freimaurerei

Es gibt innerhalb der Freimaurerei neben der überwiegenden Zahl der Logen mit humanitärer, „gottgläubiger“ Grundtendenz Extreme, wie die atheistische Bruderschaft des „Grand Orient de France“ auf der einen Seite, der auch einige Logen in Deutschland besitzt, und der in Deutschland bestehenden „Großen Landesloge“ auf der anderen Seite. Letztere nennt sich auch „Christlicher Freimaurerorden“ (vergleiche Lennhoff-Posner, Sp. 1157).
Diese „christliche Freimaurerei“ liegt aber keinesfalls außerhalb der freimaurerischen Grundordnung; hier wird nur eine größere Möglichkeit intendiert, Freimaurerei und subjektive christliche Gläubigkeit miteinander zu vereinen. Eine theologisch zulässige Verwirklichung muss jedoch verneint werden, weil die Grundtatsachen der Offenbarung des menschgewordenen Gottes und seine Gemeinschaft mit den Menschen nur als mögliche Variante der freimaurerischen Weltansicht verstanden und überdies nur von einem kleinen Teil der Maurer anerkannt werden.
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11. Freimaurerei und Katholische Kirche

So wichtig die Unterscheidung zwischen kirchenfreundlicher, neutraler und kirchenfeindlicher Freimaurerei auch sein mag, ist sie im vorliegenden Zusammenhang doch irreführend, denn sie legt nahe, dass für Katholiken eine Mitgliedschaft lediglich bei der kirchenfeindlichen nicht in Frage käme. Nun hat sich die Untersuchung gerade auf jene Freimaurerei erstreckt, welche der Katholischen Kirche gegenüber wohlgesonnen ist; aber selbst hier mussten die unüberwindlichen Schwierigkeiten festgestellt werden.
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12. Freimaurer und Evangelische Kirche

Gespräche haben 1973 auch auf dieser Ebene stattgefunden. Die evangelischen Gesprächsteilnehmer haben in ihrer Schlusserklärung vorn 13. Oktober 1973 zwar die Möglichkeit einer Doppelmitgliedschaft dem „freien Ermessen des einzelnen überlassen“. Beachtlich aber ist, was hier in Ziff. 5 festgestellt ist: „Es war für die kirchlichen Gesprächspartner nicht möglich, sich über das Ritual in seiner Bedeutung und in seiner Erlebnisqualität eine abschließende Meinung zu bilden. Dabei bewegte sie die Frage, ob das Ritualerlebnis und die Arbeit des Maurers nicht die Rechtfertigung aus Gnaden in ihrer Bedeutung für den evangelischen Christen mindern könnten“ (Information Nr. 58 der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen 58/74 Seite 19).
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V. Abschließende Stellungnahme

Mag auch die Freimaurerei aufgrund der in der nationalsozialistischen Ära erlitten Verfolgung eine Wandlung im Sinn einer größeren Offenheit gegenüber anderen gesellschaftlichen Gruppen durchgemacht haben, so ist sie doch in ihrer Mentalität, ihrer Grundüberzeugung und ihrer Tempelarbeit sich völlig gleich geblieben. Die aufgezeigten Gegensätze rühren an die Grundlagen der christlichen Existenz. Die eingehenden Untersuchungen der freimaurerischen Ritualien und Geistigkeit machen deutlich: Die gleichzeitige Zugehörigkeit zur Katholischen Kirche und zur Freimaurerei ist ausgeschlossen. […]